Probleme bei Lehrstellen:Zweiklassengesellschaft auf dem Ausbildungsmarkt

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Eine Ausbildungsstelle zu finden, ist leicht - zumindest für viele Abiturienten. Wer einen anderen Abschluss hat, kann Probleme bekommen. Viele Betriebe müssen ausgleichen, was in Schule und Elternhaus versäumt wurde. Das ist lobenswert, zugleich aber beschämend.

Ein Kommentar von Sibylle Haas

Im neuen Ausbildungsjahr haben viele junge Menschen noch keine Stelle, zeigen die Zahlen der Arbeitsagentur. Zugleich suchen vor allem Handwerksbetriebe händeringend Lehrlinge. Ein Widerspruch? Nein! Denn oft passen die Angebote der Firmen mit den Ansprüchen der Bewerber nicht zusammen. Da klaffen Berufswünsche und Fähigkeiten auseinander oder ganz schlicht: Es gibt in bestimmten Regionen einfach keine Stelle. Das bedeutet, dass junge Menschen flexibel sein müssen - sowohl was die künftige Arbeit angeht als auch, was den Ort betrifft.

Das ist aber nur die eine Seite. Die andere ist - und das ist vielleicht bedeutender - dass am Ausbildungsmarkt eine Zweiklassengesellschaft entsteht. Jugendliche mit gutem Schulabschluss, vielleicht sogar mit Abitur, finden leichter eine Stelle als jene mit Hauptschulabschluss. Je schlechter der Ruf der Schule und des Stadtbezirks, je schlechter vielleicht auch das Zeugnis, desto schlechter die Chancen auf einen guten Ausbildungsplatz. Junge Menschen mit Hauptschulabschluss aus sogenannten Problembezirken haben es da besonders schwer. Problematisch ist, wenn Migrantenkinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse von der Schule kommen. Eine verpflichtende Vorschule könnte diese Sprachdefizite abbauen.

Viele Firmen müssen inzwischen ausgleichen, was in Schule und Elternhaus versäumt wurde. Handwerksmeister geben ihren Schützlingen Nachhilfe in Rechnen, Lesen und Schreiben. Dies ist lobenswert, zugleich aber beschämend. Denn Nachhilfe in den Betrieben ist zur Regel geworden. Hier gilt: Die Grundlagen müssten in den Schulen intensiver geübt werden.

Die Betriebe klagen aber auch über mangelnde Disziplin. Dies kann man belächeln. Doch Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft erleichtern das tägliche Miteinander enorm. Wer unpünktlich zur Arbeit kommt, verlässt sich darauf, dass andere den Job miterledigen. Wer einfach nicht im Betrieb erscheint, weil er keine Lust auf den Meister hat, der ist unverschämt und egoistisch. Disziplin hat sehr viel mit Solidarität zu tun. Denn sie dient der Gemeinschaft.

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